40 Jahre nach dem Tod von Erroll Garner erscheinen bis anhin unveröffentlichte Aufnahmen des Klaviermagiers, die beim Zuhörer Glückshormone aktivieren.
Erroll Garner (1923–1977) war wohl einer der wenigen unverwechselbaren Jazzpianisten: Wie bei Thelonius Monk wusste man (und weiss man noch heute) nach wenigen Takten: «Ah – Erroll Garner!». Seine unvergleichliche Art, mit der linken Hand rhythmisch Block-Akkorde zu spielen, während seine rechte Hand völlig unabhängig Melodien und Improvisationen darüberperlen liess, oft mit leichten, Spannung erzeugenden Tempoverschiebungen, war einmalig.
Da der aussergewöhnliche Autodidakt mit seinem Stil auch Tausende (Millionen?) von Barpianisten beeinflusst hatte, die alle versuchten, ihn mehr schlecht als recht zu
imitieren, und auch, da er als Jazzpianist erfolgreich und weit über die Jazzkreise hinaus berühmt war, wurde seine einmalige Originalität ungerechtfertigterweise oft als «billige Massenware» verunglimpft.
Lange Zeit galten die qualitativ nicht eben berauschenden, aber einmalig lebendig-quirligen Amateur-Liveaufnahmen des «Concert by the Sea» in Carmel (1955) als Vorzeigebeispiel der unbändigen Spielfreude des Erroll Garner, denn in den Konzerten kamen die Qualitäten des Meisters so richtig zur Geltung (ich hatte das Glück, als junger Schnösel Erroll Garner am 24. Mai 1962 im Casino in Bern live zu erleben).
Die Aufnahmen aus Carmel wurden übrigens ebenfalls völlig überarbeitet und in ihrer vollen Länge («The Complete Concert by the Sea») 2016 neu veröffentlicht.
Und nun hat die Nichte von Garners Managerin Martha Glaser in deren Vermächtnis «Tausende von Tonbändern von Konzerten, Studio Sessions und Proben» gefunden, die sie nach und nach restaurieren und digitalisieren lassen will.
Die erste Sammlung von 14 Stücken liegt nun also vor. Der Titel «Ready Take One» stammt von der jeweiligen Ankündigung Glasers vor den Aufnahmen und wurde ab und zu belassen. Überhaupt finde ich den Zusammenschnitt aus vier Sessions hervorragend geglückt, da auch an ein paar Stellen die Studioatmosphäre und die Lockerheit unter den Musikern zu hören ist.
Ebenso geglückt ist die Rettung und Digitalisierung der doch schon beinahe 50-jährigen ½-Zoll-4-Spur-Tonbänder durch «The Magic Shop».
Erroll Garner.
In der Annahme, dass ich nicht der Einzige bin, dem Erroll Garners Musik ein Lächeln ins Gesicht zaubert und Glücksgefühle auslöst, möchte ich gar nicht erst auf die einzelnen Stücke eingehen, sondern empfehlen, sich die Zeit zu nehmen, das ganze Album (das übrigens auch als Doppel-LP erhältlich sein soll) in seiner vollen Länge (66 Minuten) zu geniessen. Es gibt keine Schwachstellen – es ist pure Freude von A bis Z.
Garner-Neulinge seien jedoch gewarnt: Erroll ist ein «Grunzer», der seine musikalischen Eskapaden immer mit zusätzlichen Lauten «unterstreicht».
Natürlich klingen nicht alle Stücke wie aus einem Guss. Sie wurden ja an vier verschiedenen Sessions aufgenommen ("Misty" sogar als Monoaufnahme 1969 in Paris). Doch die Klangqualität ist hervorragend, die neuen Abmischungen (von 4 Spuren auf Stereo) perfekt gemacht.
Allen Erroll-Garner-Fans, aber auch Neulingen, die die wunderbar glückliche Musikwelt von Erroll Garner erkunden wollen, sei dieses Album (in welcher Form auch immer) wärmstens empfohlen.
Interpret:
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Rezensionsdatum:
Erroll Garner
Erroll Garner, Klavier
Jimmie Smith, Schlagzeug
Ernest McCarty
Ike Isaac
George Duvivier
Larry Gales, Bass
Jose Magual, Congas
«Ready Take One»
USA
Columbia Records
27.09.2016
01:06:03
Flac 24/96
Die Aufnahmen stammen von verschiedenen Sessions aus den Jahren 1967, 1968, 1969 und 1971
10
8
10. März 2017