Oldies but Goodies # 30

Frank Sinatra – «A Swingin’ Affair!»

Frank Sinatra gehört zu den wenigen ganz grossen im Musikbusiness. Seine Interpretationen bekannter Melodien – die meisten älteren aus dem American Songbook – sind (beinahe) ausnahmslos aussergewöhnlich.

Viele der wirklich grossen, erfolgreichen, zeitlos geliebten im Unterhaltungsmusikbusiness sind zwar nicht mehr unter uns oder aktiv, doch dank der Musikkonserven bleiben sie unsterblich: Elvis, die Beatles, vielleicht noch Ella … aber bestimmt Frank Sinatra.


Über Frank Sinatra und sein bewegtes Leben wurde schon viel geschrieben; auch wurde es in unzähligen Dokumentarfilmen offengelegt. Diese Rezension beschränkt sich auf seine musikalischen Qualitäten und blendet bewusst seine Lebensgeschichte, seine politischen Eskapaden sowie alle «Skandale» und Regenbogenpresse-Schlagzeilen aus.

Musikalische Phasen

Sinatras musikalische Karriere kann grob in vier Abschnitte eingeteilt werden, von denen drei stark mit seinen jeweiligen Plattenlabels verknüpft waren: Die Harry-James/Tommy-Dorsey-Jahre (1935–1939), die Columbia-Jahre (1946–1952), die Capitol-Jahre (1953–1962) und die Reprise–Jahre (1962–1982).


Nach einer offiziellen Verabschiedung vom Business (1970), kehrte er kurz darauf wieder zurück (1973), machte mehrere Konzerttourneen bis in die 90er-Jahre und nahm auch diverse Songs auf, die jedoch nie publiziert wurden (ausser später auf der Sammlung «The Complete Reprise Studio Recordings»).


Diverse Sinatra LPs wurden in den letzten Jahren neu digitalisiert und sind nun in HiRes-Audio erhältlich. Meine Wahl «A Swingin’ Affair» ist rein zufällig, gibt es doch viele weitere überarbeitete Alben. Doch scheint mir dies eine typische LP der Columbia-Jahre zu sein.


Absolut empfehlenswert ist auch die über fünfstündige Sammlung «Ultimate Sinatra: The Centennial Collection»*, ein sorgfältig zusammengestellter Überblick, meiner Ansicht nach behutsam überarbeitet – im Gegensatz zur BnF-Kollektion «The Very Best of Frank Sinatra», die schnoddrig überarbeitet und zusammengestellt wurde (einmal mehr: You get what you pay for).


* Von den 105 Tracks auf «Ultimate Sinatra» können 21 aus «urheberrechtlichen Gründen» nicht gestreamt werden, sind (bei Qobuz) also nur im bezahlten Download verfügbar.

Frank Sinatra im Studio bei Capitol Records mit seiner typischen Kopfbedeckung.

Sinatra, der Sänger

Es heisst, Sinatra sei kein Blattleser gewesen, doch habe er eine eigene Technik entwickelt, Noten von Songs als Unterstützung zu benutzen. Bevor er einen Song, den er besonders mochte, aufnehmen wollte, befasste er sich während Wochen mit dem Text und versuchte selbst das ideale Tempo zu finden, um erst danach das Big-Band-Arrangement in Auftrag zu geben.


In jeder der oben erwähnten Phasen hatte er seine bevorzugten Arrangeure: Bei Capitol waren es vor allem Nelson Riddle für die fülligen, Streicher-orientierten Begleitungen und ab und zu Billy May für die eher Bläser-lastigen, härteren Produktionen. Am jazzigsten sind wohl seine Reprise-Produktionen mit der Count Basie Big Band und den Arrangements von Quincy Jones.


Ein absolut empfehlenswertes Dokument aus der Reprise-Zeit, das allerdings nie in HiRes-Audio gewandelt wurde, ist «Sinatra at the Sands with Basie», das neben den hervorragenden Songs auch noch zwei Monologe enthält, die uns den damaligen Zeitgeist offenbaren.


«Bedroht» vom Erfolg von Elvis und den Beatles Anfangs der 60er-Jahre, versuchte sich Sinatra stilistisch anzupassen, machte ein paar mehr oder weniger erfolgreiche Ausflüge in neue, an Popularität gewinnende Musikstile. Der erfolgreichste davon, der sowohl von Musikkritikern als auch von seinen Fans hochgelobt wurde und Sinatra eine Grammy-Nomination bescherte, war sein Ausflug in den Bossa Nova mit «Francis Albert Sinatra & Antonio Carlos Jobim». Dieses Album wurde zu dem am zweitbesten verkauften Album des Jahres 1967, unmittelbar hinter «Sgt. Pepper» von den Beatles.

Heute beinahe unvorstellbar: Sinatra wollte alle Studioaufnahmen zusammen mit dem Orchester machen (im selben Raum!), da der direkte Kontakt mit den Musikern und dem Arrangeur/Dirigenten ihm ein wesentlich besseres «Live-Gefühl» vermittelte.

«A Swingin’ Affair!»

Aufgenommen innert zwei Wochen im November 1956 im Capitol Studio in Hollywood, wurde die LP mit 15 Stücken im Mai 1957 veröffentlicht. Die 2015 sorgfältig und sanft überarbeitete HiRes-Version entspricht dieser LP – und nicht etwa einer in der Zwischenzeit kompilierten CD, auf der noch «The Lady is a Tramp» als Bonustrack zu finden ist.


Interessant scheint mir, dass in den fünf verschiedenen Big-Band-Formationen, die für diese LP zusammengestellt wurden, einer immer dabei ist: Harry «Sweets» Edison, dessen gedämpfte Trompete schon bei Billie Holiday die Kontrapunkte setzte, der Sinatras «Lieblings-Füller» wurde und der mit seinem unvergleichlichen Sound auf unzähligen Alben von Sängerinnen und Sängern zu hören ist.


Das Repertoire ist traditionell: Cole Porter, Rodgers and Hart, Gershwin usw. Das macht es besonders interessant, da man Sinatras Interpretationen mit vielen anderen vergleichen kann. Sinatra hat nicht nur eine sofort erkennbare Stimme (anders als alle anderen), er hat auch seinen eigenen, unverkennbaren Stil. Seine Art, nicht der Melodie Lyrics zu unterlegen, sondern den Texten den Vorzug über die Melodie zu geben, machen alle seine Versionen speziell, eben Sinatra-like.


«A Swingin’ Affair!» belegte in den UK Album Charts 1957 der ersten Platz, wird sowohl von «Allmusic» als auch von der «Encyclopedia of Popular Music» mit fünf Sternen (dem Maximum) beurteilt.


Welches der vielen Sinatra-Alben das beste ist, dürfte Geschmacksache bleiben. Für mich ist klar, dass sämtliche Gesangs-LPs der Columbia Years (mit Ausnahme evtl. des «Can-Can»-Soundtracks) sehr gut bis hervorragend beurteilt werden müssen, während Sinatra in den Reprise-Jahren auch viele Alben produzierte, die möglicherweise populär («Strangers in the Night», «Something Stupid» usw.), jedoch nicht «geschichtsträchtig» sind und nur ein paar wenige – z. B. «At the Sands» und «Sinatra and Jobim», die zu den musikalisch herausragenden gehören.

Fazit

Ob «A Swingin’ Affair!», «Come Dance with Me», «Come Fly with Me» oder «Only the Lonely» (oder sonst eine Capitol-Produktion): Sie alle sind empfehlenswert, sowohl vom Gesang und den Arrangements her als bezüglich der technischen Qualität. Man bedenke, dass Stereophonie erst 1957 den Hörermassen (via LP) zugänglich gemacht wurde. «A Swingin’ Affair!» ist zwar das letzte Mono-Album Sinatras – das nächste, «Where Are You?» (später unter dem Namen «The Night We Called It a Day» erhältlich), war das erste Stereo-Album – doch dies tut der Qualität dieses über 63 Jahre alten Zeitdokuments keinen Abbruch.

Steckbrief

Interpret:


Besetzung:



Albumtitel:


Herkunft


Label:


Erscheinungsdatum:


Spieldauer:


Tonformat:


Musikwertung:


Klangwertung:


Rezensionsdatum:

Frank Sinatra


Capitol Studio Orchester (fünf verschiedene Zusammensetzungen), arrangiert und geleitet von Nelson Riddle.


«My Way»


USA


Capitol/RevOla


1957/2015


44:47


FLAC 44.1/24-Bit (mono)


8


8


11. März 2020