Piano Trios gibt es viele, auch viele wirklich gute. Doch Luther Allisons Trio liess mich aufhorchen. Und sein Erstlingsalbum bestand auch den Faszinationstest mehrfachen Abspielens.
«Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch», legte Goethe Faust in den Mund. Und dies trifft auch für Luther Allison, den Hauptakteur in dieser Rezension zu – denn wenn man seinen Namen googlet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man auf den mit nur 57 Jahren 1997 verstorbenen Bluesmann gleichen Namens stösst, wesentlich grösser, denn noch ist jener Gitarrist viel bekannter als der Pianist Luther Allison.
Doch das könnte sich bald ändern, gewann der Pianist Luther doch bereits einen Grammy für seine Zusammenarbeit mit Samara Joy auf ihrem Album «Tight» (2023).
1996 in Charlotte, North Carolina geboren, begann der fünfjährige Luther Schlagzeug zu spielen. Seine Eltern spielten beide keine Instrumente, unterstützen ihren Sohn jedoch von Anfang an. Sein Talent wurde bald erkannt und Luther wurde von der Jazz Arts Initiative Organization gefördert.
Etwas später entschied er sich, seine Musikstudien an der University of Tennessee weiterzuführen, die er mit dem «Bachelors of Music in Studio Music and Jazz with a focus in both Drum Set and Piano» abschloss.
Es war auch in Memphis (TN) wo ihn sein Mentor und Lehrer Donald Brown, der ehemalige Pianist der Jazz Messengers, mit Jazzgrössen wie Mulgrew Miller, Harold Mabern and James Williams bekannt machte. Luthers Komposition «I Owe It All To You» – zugleich Titel seines Erstlingsalbums – bezieht sich vor allem auf diese grossen Pianisten, die ihn unterstützten und ihm weiterhalfen.
19-jährig wirkte er zum ersten Mal bei einer Schallplattenproduktion mit: Auf «Father Figure» von Michael Dease spielt er Schlagzeug. Doch bereits ein Jahr später verpflichtete ihn der Posaunist Dease für seine nächste Produktion «Reaching Out», doch diesmal als Pianisten.
Nach seinem Studienabschluss zog Luther nach New York City, wo er bald zu den «regelmässig Auftretenden» aufstieg, in den besten Clubs spielte und mit diversen Jazzgrössen zusammentraf.
Und nun also, mit 28, sein erstes Album unter eigenem Namen.
Luther Allison, Piano - Boris Kozlov, Bass - Zach Adleman, Drums
Von den zehn Stücken (davon vier Eigenkompositionen) waren mir nur zwei Melodien geläufig: Stevie Wonders «Knocks Me Off My Feet» und «I Didn’t Know What Time It Was» von Richard Rodgers/Lorenz Hart aus dem Musical von 1939 «Too Many Girls».
Zur Stevie Wonder Komposition schreibt Luther (sinngemäss zusammengefasst): Zuhause verbrachte ich unzählige Stunden mit der Stevie Wonder Sammlung meines Vaters. Vor allem «Songs In The Key Of Life» dröhnte durchs ganze Haus, wenn dieser Heimarbeiten verrichtete. Stevies Musik beeinflusste meine musikalische Entwicklung enorm. Und so wollte ich dem grossartigen Stevie Wonder mit einem meiner Lieblingssongs die Ehre erweisen.
Wenn man z.B. Ella Fitzgeralds oder Doris Days Version von «I Didn’t Know What Time It Was» im Ohr hat, wird man bei Luther von einer völlig neuen, rhythmisch und harmonisch faszinierenden Version überrascht: Aus einer ohrwurmigen, jedoch ziemlich geradlinigen Musical-Ballade kreiert er etwas Neues, bei dem man zwar die Melodie mitkriegt, diese jedoch in einer neuen, zeitgemässen Form präsentiert erhält.
Bei diversen Kompositionen wird immer wieder sein Mentor Donald Brown erwähnt, der sowohl die Stückwahl, als auch die raffinierten Arrangements beeinflusst habe. Zudem tauchen in Luthers Spiel immer wieder Gospel- und Blues-Elemente auf.
Musik in Worte zu fassen, ist immer so eine Sache. Was mich am gesamten Album fasziniert hat, ist die jugendliche Frische, die komplexen, zeitgemässen Arrangements, die mit einer unglaublichen Leichtigkeit perfekt und organisch mit den Improvisationen verschmelzen, sowie der Reichtum an Abwechslung.
Ein Kränzchen respektive einen grossen Kranz möchte ich den beiden Mitstreitern Boris Kozlov und Zach Adleman winden: In viele Stücken sind sie nur perfekte Unterstützer, doch wenn sie mal zum Solieren kommen, brillieren sie mit geschmackvollem Können und einfühlsamer Qualität.
Viele Trio-Alben wirken mit der Zeit zwar immer noch nett, verlieren jedoch ihren ursprünglichen Glanz. Nicht dieses hier: Obgleich der Bass von Boris Kozlov und das Schlagzeug von Zach Adleman vor allem unterstützenden Charakter haben, also die von Ideen nur so sprudelnde Spielweise Luther Allisons den Hauptanteil ausmacht, wirkt das Album auch nach mehrmaligem Anhören (und ich meine wirklich «oftmaligem»!) nie langweilig.
Eine unbedingte Reinhörempfehlung.
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Rezensionsdatum:
Luther Allison
Luther Allison, Piano
Boris Kozlov, Bass
Zach Adleman, Drums
«I Owe It All To You»
USA
Posi-Tone Records
19.07.2024
52:59
FLAC 24-Bit/88 kHz Stereo
9
8
2. September 2024