Audiofundsachen können überraschen. Im Fall von «Love You Madly» fällt die Überraschung so positiv aus, dass man sie einfach der Welt mitteilen muss.
Wieder einmal hat jemand in einer (möglicherweise verstaubten) Schublade ein analoges Tonband «gefunden», eine Live–Aufnahme, die nie veröffentlicht worden war. Trotzdem genügt sie qualitativ auch heutigen HiRes–Standards vollkommen. Und obgleich die Aufnahme von 1982 stammt, wirkt sie frisch und dynamisch, hat also überhaupt keinen Staub angesetzt.
Der Pianist Monty Alexander hat mich – spätestens seit einem Live–Erlebnis am Jazzfestival in Montreux – fasziniert («Montreux Alexander» Rezension vom Januar 1997). Als mir nun Ausschnitte des Live–Auftritts in Bubba’s zu Ohren kamen,
musste ich alles hören. In der Annahme, tonqualitativ das Beste vom Besten zu besprechen, wählte ich die von René Laflamme gemasterte 2xHD–Version im Format DSD 128. Doch dazu später.
Montgomery Bernhard Alexander wurde im Sommer 1944 in Kingston, Jamaika geboren. Laut diversen Quellen soll er schon als Vierjähriger an den Klaviertasten Interesse gefunden haben. Und schon damals zeigte sich sein Talent, einmal Gehörtes nachspielen zu können.
Mit sechs Jahren erhielt er klassischen Klavierunterricht und als Vierzehnjähriger begann er sich für Jazz zu interessieren. Bald trat er in Clubs auf und sprang bei Tonaufnahmen für verhinderte Pianisten ein.
1961 zog seine Familie nach Miami, Florida, wo Monty in diversen Nachtclubs spielte. Bei einem solchen Auftritt wurde er von Jilly Rizzo «entdeckt» und 1962 nach New York geholt, als Hauspianist im berühmten «Jilly’s». Dort konnte er auch Frank Sinatra – Stammgast im «Jilly’s» – begleiten.
In New York machte er viele neue Bekanntschaften und fand echte Freunde, unter anderen Ray Brown und Milt Jackson sowie Miles Davis.
1964 nahm er – gerade mal 20 – sein erstes Album unter eigenem Namen in Los Angeles für Pacific Records auf: «Alexander the Great». Es folgten Aufnahmen mit Milt Jackson und Ed Thigpen sowie Tourneen in Europa, wo er diverse Aufnahmen für MPS machte, oft mit seinem neu geformten Trio mit John Clayton (Bass) und Jeff Hamilton (Drums).
Seither ist Monty Alexander dauernd enorm aktiv, sei es im Studio, auf Tourneen, als Pianist für Sängerinnen oder in eigenen Formationen. Immer wieder drängt es ihn, seine jamaikanischen Wurzeln in den Jazz einfliessen zu lassen wie beispielsweise im Album «Stir it up» (1999), das eine Sammlung von Bob–Marley–Songs enthält.
Und nun taucht also plötzlich eine bisher unveröffentlichte Live–Aufnahme auf, die Monty Alexanders Musikalität und Improvisationsfreude, seine feuerwerksartigen Ausbrüche, rhythmischen Spielereien, aber auch seine sanfte Einfühlsamkeit in voller Dynamik wiedergeben, da das Album auch tontechnisch nicht nur einwandfrei, sondern überzeugend ist.
Von Burt Bacharachs Filmhit zu «Arthur» (1981) bis zu Milt Jacksons Blues «SKJ»: Die rund 92 Minuten dieses Auftritts sind ausnahmslos atemberaubend, aufstellend, geschmackvoll, spannend. Auf dem ganzen Album gibt es keine «Ausreisser», die man hätte weglassen sollen. Die abwechselnden Tempi und Rhythmen sind perfekt ausgewogen, wie es bei einem Konzert sein sollte. Wahrscheinlich wegen der Zeitlimite wurde der Applaus nach jedem Stück ausgeblendet. Ansagen und Kommentare wurden weggelassen, sodass wir nicht wissen, ob der Auftrittsablauf auch wirklich so geschehen war, wie wir ihn nun hören. Doch das ist Nebensache.
Das Monty Alexander Quartett «Live at Bubba’s» (Collage aus Bildern des Booklets).
Die drei Mitmusiker waren mir bis dahin kein Begriff, doch lernte ich, dass der Bassist Paul Berner erst kurz vor diesen Aufnahmen zu Montys Quartett stiess und zuvor bei Lionel Hampton für das Bassfundament verantwortlich war. Duffy Jackson spielte immer wieder Gigs mit Monty Alexander und war von 1972 bis 1992 einer der «regulären» Schlagzeuger des Trios respektive des Quartetts. Auch der Perkussionist Robert Thomas jr., der unter anderem in Gruppen wie Weather Report oder The Zawinul Syndicate mitwirkte, war ein langjähriger Begleiter Alexanders, wann immer dieser einen Perkussionisten benötigte.
Alle drei haben ihren fairen Anteil an Soli, aber natürlich überwiegt Montys Tastenakrobatik.
Wie eingangs erwähnt, wünschte ich eine besonders gute Version dieser Musikperle und wählte die 2xHD–DSD–Version. Nach meiner Begeisterung für hervorragend gemastertes DSD bei der Aufnahme von Bill Cunliffe wurde ich diesmal enttäuscht, hatte ich doch eher eine noch konzentriertere Brillanz und Tiefe der Aufnahme, deren Ausschnitt ich noch im Ohr hatte, erwartet.
Diesmal hat der 2xHD–Ingenieur René Laflamme für meinen Geschmack etwas zu extrem in den Gesamtklang eingegriffen: Gutwillig kann man behaupten, die Aufnahme habe nun mehr Wärme. Gewiss wurden einige Höhenspitzen gebrochen, doch das recht bissige «Original», das die typische Club–Atmosphäre von «Bubba’s» so gut abbildet und auch die Dynamik von Monty Alexanders Klavierstil unterstreicht, wurde meiner Meinung nach zu stark beschnitten; nun klingt die Aufnahme eher flach, der «dreidimensionale» Klang, die Raumabbildung, ist etwas abhanden gekommen. Schade.
Gute Live–Aufnahmen haben es einfach in sich. Man weiss: Was man hört, wurde auch so gespielt – keine nachträglichen Korrekturen, keine technischen Tricks.
«Love you Madly» von Monty Alexander und seinen Mannen ist ein solch aussergewöhnliches Album, das Spielfreude, Musikalität, Können, aber auch das aufeinander Eingehen widerspiegelt und von A bis Z mitreisst.
Auch wenn das 2xHD–Remastering der wiedergefundenen Analogbänder meiner Ansicht nach nicht optimal erfolgte, ist «Live at Bubba’s» eine absolute Empfehlung!
Interpret:
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Erscheinungsdatum:
Spieldauer:
Tonformat:
Aufnahmedetails:
Musikwertung:
Klangwertung:
Rezensionsdatum:
Monty Alexander
Monty Alexander, Piano
Paul Berner, Bass
Duffy Jackson, Drums
Robert Thomas Jr., Percussion
«Love You Madly» (Live at Bubba’s)
Resonance/2xHD
4. Dezember 2020
1:31:47
DSD 128
Aufgezeichnet am 6. August 1982 in Bubba's Jazz Restaurant in Fort Lauderdale, Florida auf einer analogen 24–Spur–Maschine des Criteria's mobile recording unit.
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23. Januar 2021