Musik–Rezensionen

mainly Jazz

Oldies but Goodies # 37

Sonny Stitt – «Sonny Stitt Blows the Blues»

Sonny Stitt – «The Lone Wolf» – spielte nie für längere Zeit in einer festen Formation: Und trotzdem existieren über 100 Alben unter seinem Namen. Das vorliegende gilt als eines seiner besten.

Der Ausdruck «Blues» hat verschiedene Bedeutungen: 

Es ist die Bezeichnung des Musikstils beziehungsweise der Lieder, die von den Bluessängern (von Big Bill Broonzy bis B. B. King) und –sängerinnen (von Bessie Smith bis Koko Taylor) vorgetragen wurden. 


Es ist auch der Ausdruck für eine mentale Stimmung (Trauer, Niedergeschlagenheit, «Anschiss»), die in vielen Liedern ausgedrückt wird, z. B. in «Every Day I Got the Blues». 


Und – last but not least – ist es die bereits in der «Opus de Jazz»–Rezension besprochene, 12–taktige Harmoniefolge, die auch die Grundlage für den Boogie–Woogie bildet.

Auf «Sonny Stitt Blows the Blues» sind sechs der acht Stücke Blues in der 12–Takt–Harmoniefolge, eines davon in der Moll–Variante. «Blue Prelude» widerspiegelt die Blues–Stimmung, während «Birth of the Blues» eigentlich nur vom Titel her in die Auswahl passt.

Sonny Stitt

1924 als Edward Hammond Boatner Jr. in Boston in eine musikalische Familie geboren (sein Vater war Sänger und Musiklehrer, seine Mutter Klavierlehrerin, sein Bruder klassisch ausgebildeter Pianist), wurde Edward kurz nach seiner Geburt von der Familie Stitt adoptiert (die Hintergründe sind unklar) und wuchs in Saginaw, Michigan auf. Er änderte selbst seinen Vornamen auf Sonny und spielte im Highschool–Orchester sowie in einer lokalen Swing Band verschiedene Saxofone.


Er konzentrierte sich schliesslich auf das Altsaxofon und wurde schon als Teenager Mitglied der Billy Eckstine Big Band, zusammen mit Gene Ammons und Dexter Gordon.


1943 traf er auf Charlie Parker, der bemerkte: «You sound just like me», worauf Stitt geantwortet haben soll: «It’s the only way I know how to play». Der Vergleich mit Charlie Parker sollte ihn sein Leben lang begleiten und bewirkte auch, dass er zwischenzeitlich aufs Tenorsaxofon wechselte, um dem Clone–Vorwurf ausweichen zu können.


In seiner rund 40–jährigen Karriere als Jazzsaxofonist spielte er mit vielen Topmusikern, doch hielt es ihn nie lange in einer Band, weshalb es zum Übernamen «Lone Wolf» kam. Und natürlich hatte er, wie viele seiner Kollegen, Probleme mit Drogen und vor allem mit Alkohol. Letzterer bewirkte gar einen Rauswurf aus dem Miles Davis Quintet, dem er nur ein paar Wochen angehörte.


Sonny Stitt spielte meistens Altsaxofon (wie auch auf diesem Bild und dem hier rezensierten Album), war jedoch auch ein ausgezeichneter Tenorsaxofonist.

Sonny Stitt spielte meistens Altsaxofon (wie auch auf diesem Bild und dem hier rezensierten Album), war jedoch auch ein ausgezeichneter Tenorsaxofonist.

Zu seinen bekannteren Alben gehören – neben dem hier besprochenen – «Stitt plays Bird» (1963) mit Jim Hall, «Salt and Pepper» (1963) mit Paul Gonsalves und «Tune–Up!» (1972) mit Barry Harris, das von diversen Kritikern als sein bestes betrachtet wird.


Im Sommer 1982 verstarb Sonny Stitt 58–jährig an einem Krebsleiden.

«Sonny Stitt Blows the Blues»

Für dieses Album hat Norman Granz Sonny Stitt mit den (damals) besten Musiker der West Coast in Los Angeles zusammengebracht: Der enorm anpassungsfähige Pianist Lou Levy, der auch Ella Fitzgerald auf diversen Konzerttourneen begleitete, unterstützt Stitt harmonisch, ergänzt dessen Soli mit diskreten Einwürfen und überzeugt zudem mit melodiösen, einfallsreichen Soli.


Ihm zur Seite steht der Bassist Leroy Vinnegar, ebenfalls auf diversen Produktionen mit Lou Levy zu hören; ein stabiler Rhythmiker, der ebenfalls einige interessante Soli beisteuert.


Der Schlagzeuger Mel Lewis, der nach einigen Jahren bei Stan Kenton als Session–Musiker in L.A. spielte, bevor er nach New York übersiedelte und Teil der berühmten Thad Jones/Mel Lewis Big Band wurde, übernimmt zwar keine Soli, ist jedoch die swingende Kraft im Hintergrund: diskret, aber gekonnt Akzente setzend.


Sonny Stitt selbst ist in Hochform, seine quirligen Altsax–Eskapaden wirken stets kontrolliert und harmonisch. Sein warmer Ton ist auf diesen Aufnahmen kaum «Parker like», sondern sehr persönlich.


Auch klanglich überzeugt dieses doch schon 62 Jahre alte Album, das – wie die meisten von Verve Reissues – geschmackvoll und ohne grosse Veränderungen sorgfältig restauriert und digitalisiert wurde.

Sonny Stitt in späteren Jahren.

Fazit

«Sonny Stitt Blows the Blues» ist kein kompliziertes, schwer verdauliches Album. Im Gegenteil: Wer den Jazz der Be–Bop–Ära liebt, wird die (leider nur) 37 Minuten von A bis Z geniessen. Doch es ist trotz seiner Leichtigkeit kein oberflächliches Album. Ein Oldie, der uns vor Ohren führt, welche Vielfalt an Ideen und Möglichkeiten der simple 12–Takt–Blues eröffnet.

Steckbrief

Interpret:


Besetzung:





Albumtitel:


Herkunft


Label:


Erscheinungsdatum:


Spieldauer:


Tonformat:


Musikwertung:


Klangwertung:


Rezensionsdatum:

Sonny Stitt


Sonny Stitt, alto saxophone

Lou Levy, piano

Leroy Vinnegar, bass

Mel Lewis, drums


«Sonny Stitt Blows the Blues»


USA


Verve Reissues


1961/2014


36:46


FLAC 24–Bit 192.0 kHz – Stereo


9


9


13. Oktober 2021