Er ist ein stilistisch enorm vielseitiger Pianist. Doch auf «So Real» konzentriert sich Warren Bernhardt auf seine Liebe zum Jazz, ohne den Einfluss seines Freundes und Mentors Bill Evans zu verheimlichen.
Eigentlich sollte man Warren Bernhardt zumindest dem Namen nach kennen. Schliesslich ist er ein «alter Hase» und hat mit unzähligen Jazz– und Popgrössen zusammengearbeitet, von George Benson über Gerry Mulligan, via Steps Ahead und Steely Dan bis zu Simon and Garfunkel … überall waren seine Tastenkünste gefragt.
Und daneben leitete er auch seine eigenen Gruppen, z. B. 1973 L’Image mit Mike Mainieri (Vibraphon), David Spinozza (Gitarre), Tony Levin (Bass) und Steve Gadd (Drums), die er 2009 wieder zusammentrommelte, eine Tournee in Japan sowie das Album «L’Image 2.0» produzierte.
Und immer wieder spielte er in Trio–Formationen, dann vorwiegend Standards und Eigenkompositionen im Jazzformat, regelmässig unterstützt von Jay Anderson und Peter Erskine.
Warren Bernhardt: Auf allen Tasten zuhause.
Über das Leben des Warren Bernhardt, der letzten November seinen 82. Geburtstag feierte, gibt es nicht allzu viele Einzelheiten zu berichten: Geboren im eher ländlich geprägten Wausau, Wisconsin, kam er schon früh mit dem Klavier in Kontakt, da sein Vater als ausgebildeter Pianist seinem Sohn die Liebe zu diesem Instrument weitergeben wollte.
Als Warren fünf Jahre alt war, zogen seine Eltern nach New York, wo er klassischen Klavierunterricht bei verschiedenen Pianisten erhielt. Warren war 19, als sein Vater starb. Kurzfristig entschloss er sich, seine Musikkarriere aufzugeben und in Chicago Chemie und Physik zu studieren. Dort wurde er jedoch vom Jazz– und Blues–Virus angesteckt, was sein Leben wiederum in neue Bahnen lenkte.
Während drei Jahren arbeitete er als Tastenmann im Sextett des Saxofonisten Paul Winter, wo er seine ersten Erfahrungen mit World und Earth Music machte.
Zurück in New York entwickelte sich eine enge Freundschaft mit Bill Evans, den er noch heute seinen Mentor nennt … und dessen Einfluss auch auf dem vorliegenden Album zu hören ist.
Neben seinen vielseitigen Aktivitäten und Kollaborationen als Pianist stellte er zudem für Homespun.com, einer Online–Organisation für Musikunterricht, Lehrbücher für den Selbstunterricht zusammen, die zuerst mit Musikbeispielen auf CDs, später mit Videos auf DVDs erweitert wurden.
In jüngeren Jahren war Warren Bernhardt ein aktiver Jazz–Klavierlehrer für Selbstlernende.
Während man (ich) bei Monty kaum ruhig sitzen kann, löst Warrens Musik eher das genüssliche Bild vom kuscheligen Sofa und elegantem Rotwein aus.
Wie schon erwähnt, ist der Einfluss von Bill Evans unverkennbar. Auch deshalb, weil dem hervorragenden Bassisten Jay Anderson (Jahrgang 1955) viel Raum gegeben wird, so wie es auch bei den aussergewöhnlichen Bassisten im Bill Evans Trio der Fall gewesen war.
Wesentlich weniger prominent, jedoch geschmackvoll unterstützend, ist das rhythmische Fundament von Peter Erskine (Jahrgang 1954), der nur selten zu solistischem Einsatz kommt.
Interessant finde ich, dass das Album, das schon im April 2001 aufgezeichnet worden war, erst im September 2020 publiziert wurde. Und wer gerne mehr hören möchte: «Amelia’s Song» wurde ein paar Monate später in derselben Besetzung im selben Studio mit derselben Technik aufgezeichnet.
Sofa und Rotwein sind das Eine. Dass man jedoch (über eine gute Anlage) das Gefühl haben kann, dass sich das Warren Bernhardt Trio für einen Privat–Gig in mein Wohnzimmer bemühte, ist schon speziell.
Möglicherweise klingt es abgedroschen, doch für mich ist der Gesamtklang klar, transparent, präsent, echt … eine direkte DSD–Aufnahme, ohne nachträgliche Manipulationen. Und laut der Beschreibung wurden, ausser «Autumn Leaves», dessen erstes Tempo Warren nicht befriedigte, alle Stücke nur einmal aufgenommen.
Auf «So Real» werden keine Stricke zerrissen – es ist einfach superb gespielter Jazz, elegant perlend, doch eben auch ausgereift. Für mich ist es ein Dialog zwischen Klavier und Bass mit dezenter Schlagzeugbegleitung im Hintergrund.
Wer über eine gute DSD–Abspielmöglichkeit verfügt, wird mit diesem DSD–Download verwöhnt.
Interpret:
Besetzung:
Albumtitel:
Label:
Erscheinungsdatum:
Spieldauer:
Tonformat:
Aufnahmedetails:
Musikwertung:
Klangwertung:
Rezensionsdatum:
Warren Bernhardt
Warren Bernhardt, p
Jay Anderson, b
Peter Erskine, dm
«So Real»
dmp
25. September 2020
56:32
DSD 64fs (= Original Recording Format)
Recorded Live to Stereo and Surround Sound DSD on the Sony Sonoma 8 Channel DSD Workstation by DMP’s Tom Jung, April 2001.
8
9
12. Februar 2021